Das Rosa-Luxemburg-Ensemble

Warum „hadubrant“?


Zwei Hauptgründe gibt es, die mich zum Schreiben von „hadubrant“ angetrieben haben – ein sehr persönlicher und ein musikalischgesellschaftlicher.
Ich wollte ein abendfüllendes Gesangswerk schaffen, das seine Wurzeln und seine Identität tief in der deutschen Geschichte hat, denn die Frage:
Wer sind wir Deutschen? Wie sind wir als Nation entstanden?
beschäftigt uns in den letzten Jahren quer durch die ganze Gesellschaft. Dabei war mir immer wichtig, alles nationalistisch-überhebliche, auf andere Völker herabblickende auszuschließen. Aber dennoch einen kraftvollen und stolzen, ja selbstbewussten Ausdruck zu finden, der uns Deutsche zu unseren Wurzeln, aber auch zur Problematik der deutschen Geschichte stehen lässt.

Hier kam das Hildebrandslied ins Spiel. Eine der ältesten erhaltenen germanischen Heldendichtungen, die eine Geschichte erzählt, deren Ursprung in
der Mitte des ersten Jahrtausends, also vor und während der großen Völkerwanderung in Europa, liegt. Damit hat dieser Mythos selbstverständlich
eine europäische Dimension.
Das Hildebrandslied, von dem nur die ersten 68 stabgereimten Zeilen erhalten sind, ist in althochdeutscher Sprache verfasst. Ohne hier auf Details der
sprachgeschichtlichen Entwicklung des Deutschen einzugehen, das kann jeder Interessierte im Internet, war mir immer sehr wichtig, dass in der
Originalsprache gesungen wird. Selbst bei einer gewissen Ungenauigkeit der Aussprache, ist in jedem Fall die Beschäftigung mit der Spache unserer
Urahnen, ein emotionales Ereignis.

Während der Arbeit wurde mir viel Ähnlichkeit zum Englischen klar, was durch die Besiedlung durch die Angelsachsen während der Völkerwanderung über die Nordsee nach Britannien nachvollziehbar ist.
So war es mir möglich, eine archaische, kraftvolle Musik zu schreiben, die vor allem von jungen Menschen instinktiv verstanden und ausgedrückt werden kann. Wir wissen nicht, wie die Musik im ersten Jahrtausend klang, aber dass Musik zu allen Zeiten gemacht wurde, davon können wir sicher ausgehen.
Der ganz persönliche Antrieb für mich über den musikalisch-gesellschaftlichen hinaus liegt in der Vater-Sohn-Geschichte, die das Hildebrandslied erzählt.

Da geht ein Vater weg, verlässt seinen eben geborenen Sohn, um nach vielen Jahren zurückzukehren und muss nun feststellen, dass er für sein „eigen Fleisch und Blut“ – „sunufatatungos“ (Sohn und Vater vom gleichen Blute – ein Wort, das es so in der heutigen Sprache nicht mehr gibt) – gestorben ist.
Der Sohn erkennt ihn nicht und will nicht glauben, dass sein Vater vor ihm steht. Und hier haben wir die traurige Parallele zu unserer heutigen Welt:
Wie viele Väter verlassen ihre Kinder, um Jahre später reuevoll zu erkennen, dass es ein großer Fehler war, das eigene Kind nicht begleitet zu haben auf
seinem Weg ins Erwachsenwerden.
Es ist immer eine Mischung aus verschiedensten, auch widerstrebenden Gefühlen, die Musik entstehen lässt. Letzten Endes spricht die Musik aus sich selbst und offenbart so, woraus sie entstanden ist.

Arnold Fritzsch (2012)